Schott investiert 40 Millionen Euro in eine neue Schmelzwanne für medizinisches Glasrohr. Oberbürgermeister Michael Ebling und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) passt das gut ins Konzept.
Die gerade erst „angetemperte“ Rohrwanne 32 ist genauer betrachtet viel mehr als nur ein Behälter, in dem sich Glas bei bis zu 1500 Grad Celsius schmelzen lässt. Tatsächlich handelt es sich bei der innerhalb von nur neun Monaten aufgebauten, seit Ende April betriebenen hochkomplexen Anlage um eine Produktionsstätte, an der Pharmarohre wie am Fließband gefertigt werden sollen. Rund 40 Millionen Euro hat es sich der Mainzer Technologiekonzern kosten lassen, am Stammsitz an der Hattenbergstraße eine zweite Fertigungsstraße zu installieren.
Künftig könne man hier also doppelt so viele Glasrohre wie bisher herstellen, sagt Frank Heinricht, der Vorstandsvorsitzende des mehr als 130 Jahre alten Spezialglasherstellers, bei der Präsentation der neuen Schmelzwanne. Sie sei ein „wichtiger Meilenstein in der Wachstumsstrategie“ des Unternehmens, das derzeit mehr als 17.000 Mitarbeiter in 34 Ländern beschäftige. Das aus Borosilikatglas geformte Pharmarohr ist ein wichtiges Vorprodukt, aus dem an anderen Schott-Standorten dann unter anderem hochwertige und langlebige Verpackungen für Arzneimittel gemacht werden wie zum Beispiel Fläschchen, Ampullen, Karpulen und Spritzen.
Die zu 100 Prozent qualitätsgeprüften Rohre der Marke Fiolax, bei denen es keine Wechselwirkung zwischen Medikament und Verpackung gebe, werden laut Heinricht etwa zur Aufbewahrung lebenswichtiger Impfstoffe gebraucht. Das gelte aktuell unter anderem für den als Comirnaty bekannten Covid-19-Impfstoff des Mainzer Herstellers Biontech. Mit Hilfe der neuen und vom Bund mit mehreren Millionen Euro unterstützten Schmelzwanne könnten jährlich nun 1,5 bis zwei Milliarden medizinische Verpackungen zusätzlich hergestellt und ausgeliefert werden. Damit sei die Pharmaglasnachfrage in Deutschland und Europa langfristig gesichert, befand der Schott-Chef.
Dass Mainz dank Biontech nicht nur zur „Apotheke der Welt“ geworden sei, sondern in der Stadt auch die dazugehörigen Verpackungen erzeugt würden, fand nicht nur Oberbürgermeister Michael Ebling höchst erfreulich. Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) sagte bei einer Werksbesichtigung am Montag, dass sie bei Treffen mit Amtskollegen bis heute „sehr stolz“ auf Mainz und Rheinland-Pfalz sei. Dazu gehöre, dass sich Schott über Jahrzehnte hinweg als verlässlicher Innovationstreiber erwiesen habe – und plane, schon bis 2030 zum komplett klimaneutralen Unternehmen zu werden. Was nicht einfach werden dürfte, wenn man bedenke, dass ein großer Teil der sehr energieintensiven Produktion derzeit noch auf Basis von Erdgas ablaufe. Der fossile Energieträger solle in naher Zukunft möglichst durch Wasserstoff und grünen Strom abgelöst werden.
Aktuell bringt die Rohrwanne 32, die in einer früher für die Herstellung von Fernsehbildschirmen benötigten Halle untergekommen ist, gut 100 neue Arbeitsplätze im Werk und bei externen Dienstleistern. Weitere 100 Stellen seien bei Schott derzeit unbesetzt, sagte Heinricht. Und nutzte so die Gunst der Stunde, um auf Ausbildungs- und Karrierechancen in dem Mainzer Vorzeigebetrieb hinzuweisen, der Eblings Ansicht nach „immer auch für den Aufbruch in der Stadt steht“. Angefangen beim legendären „Zug der 41 Glasmacher“, die bald nach Kriegsende mit ihren Familien von Jena an den Rhein gewechselt waren, wo sie 1952 inmitten der stark zerstörten Stadt damals ein neues Werk eröffneten.
Oberbürgermeister und Ministerpräsidentin bekräftigten bei dieser Gelegenheit noch einmal den Anspruch, dass sich Stadt und Land als Vorreiter für die Biotechnologie und als erfolgreiche Pharmastandorte verstünden. Es sei schön zu sehen, „wie unsere Unternehmen aus Rheinland-Pfalz – allen voran Schott – zur Bewältigung der Corona-Pandemie und zur medizinischen Versorgungssicherheit in Europa beitragen“, so Dreyer. Das Unternehmen habe sich in Krisenzeiten immer wieder durch rasche Anpassungen ausgezeichnet. Und am Ende habe Schott dann meist mehr produzieren müssen. Angesichts des Ukrainekrieges könne man derzeit nur hoffen, dass es keinen Gasnotstand gebe.